Geschichte

Frühgeschichte

Die ältesten Spuren menschlicher Besiedlung im Odenwald sind die in den Wäldern zahlreich verstreut liegenden Grabhügel. Sie wurden während mehrerer Epochen errichtet. Erste Hügelgräber stammen vom Ende der Jungsteinzeit und endeten im 7. und 8. Jahrhundert nach Christus.
Auf Vielbrunner Gemarkung liegen zwei Hügelgräber:
An der “Alten Laudenbacher Straße” zwischen Bremhof und Brunntal liegt ein stattlicher Grabhügel, der nach Wolfram Becher, vielleicht schon zur Zeit der Schnurkeramik entstanden ist. Ein weiterer Einzelhügel, vielleicht auch schnurkeramisch, liegt an dem Waldweg “Langenstein Schneise”, etwa 500 Meter vor der hessisch bayrischen Grenze. Die beiden Grabhügel sind erhalten, jedoch ausgeräumt. Ihre Lage ist in der Topographischen Karte 1:25 000 vermerkt. Die Schnurkeramik gehört zu der Kulturgruppe der späten Jungsteinzeit um 2000 v. Chr.

Hügelgrab in den Brunnthaler Köpfe bei Vielbrunn (Foto: N. Allmann)

Hügelgrab in den Brunnthaler Köpfe bei Vielbrunn (Foto: N. Allmann)

Römerzeit

Zurückgehend in das 1. Jahrhundert finden sich in vielen Zeugen der Vergangenheit die Spuren der Römer. Der Limes entlang des Vielbrunner Höhenrückens diente etwa 110/115 n. Chr. knapp ein halbes Jahrhundert zur Sicherung der Grenze in diesem Teil des Römischen Reiches. In diese Zeit kann man die Entstehung der Kastelle rechnen, von denen bis heute noch Reste und Spuren erhalten blieben. Auf dem Höhenrücken in nördlicher Richtung entlang befindet sich das Numeruskastell Hainhaus. Das römische Badegebäude befand sich etwa 180 Meter weiter nordwestlich in Richtung Kimbach und ruht heute unter der alten “Laudenbacher Straße”. Insgesamt 8 nachgewiesene Turmstellen liegen am Odenwaldlimes entlang innerhalb der Vielbrunner Gemarkung.

Ersterwähnung von Vielbrunn

Die Besiedlung und Christianisierung des Raumes Vielbrunn und des Vielbrunner Weilers Bremhof erfolgte nach heutigen Kenntnissen durch die um das Jahr 734 von Bonifatius geweihte Benediktinerabtei in Amorbach. Talaufwärts, den Bachläufen entlang, haben wohl die Mönche des Klosters das heutige Ohrnbachtal mit seinen Seitentälern bis zum Vielbrunner Höhenrücken gerodet und besiedelt.

Als erste Erwähnung von Vielbrunn können die Traditionsnotizen des Klosters Amorbach aus dem 11.-12. Jahrhundert in Anspruch genommen werden, in denen Güterstücke und Rechte aus dem damaligen Bachgau aufgelistet sind, die dem Kloster Schenkungsweise übertragen worden waren.

Es handelt sich dabei um eine Traditionsnotiz, d. h. eine kurze notizhafte Aufzeichnung über Schenkungen usw. die eine ganze Reihe von Schenkungen umfasst und zwar von verschiedenen Personen und an verschiedenen Orten. Es ist ein Eintrag, in einer auf älterer Vorlage beruhenden Abschrift dieser Zeit, von einer Handschrift des Klosters Amorbach aus dem 13. Jahrhundert. Sie wurden von Wolfram Becher in der Zeitschrift „Der Odenwald“ (Jg. 16, 1969, S. 50-60 und S. 67-79) ediert und kommentiert.

Konkret geht es um den Eintrag: „Godebolt et Edelint in Vullebrunni (Vielbrunn) et in Brambuch (Bremhof)“. Danach haben die nicht näher identifizierbaren Adeligen Godebolt und [dessen Ehefrau?] Edilint dem Kloster ihre Güter in Vielbrunn und in Bremhof übertragen. Die originale Handschrift befindet sich in der Würzburger Universitätsbibliothek unter dem Bestand: „Sig: Hs.M p. th. f. 71“.

Vom Namen „Godebolt“ auf eine zeitliche Nähe zu dem vor dem Jahr 1000 amtierenden Amorbacher Abt Godebold (940? -960) zu schließen, kann nicht belegt werden. Doch ein Zusammenhang ist nicht auszuschließen. Die absolute Zeitstellung der Traditionen kann nur nach den sonst belegten Daten der Würzburger Bischöfe und Amorbacher Äbte fixiert werden, also zwischen den Jahren 1012 und 1121, mit einem unbekannten Variationszeitraum von schätzungsweise beiderseits jeweils etwa 10 Jahren. Da keine klare Zuordnung möglich ist, wird nach der Praxis der hessischen Staatsarchive das erstmögliche Jahr der Erwähnung zugrunde gelegt. Dies wäre das Jahr 1012.

Darüber hinaus sind Flurnamen der Vielbrunner Gemarkung im Odenwälder Bannforst genannt. Kaiser Heinrich II. schenkte im Jahr 1012 den Bannforst im Odenwald an das Kloster Lorsch. Erwähnt ist im Forstbann der „Aranbach“; damit war wohl der Ohrnbach gemeint. Auch das Vielbrunner Felddistrikt „Nobbenhuson“, das heute noch den Namen Zobbenhausen führt und der Walbernbach, der als „Wallendenbrunn“ genannt ist, werden im Forstbann als Grenzpunkte erwähnt. Der Bach bildet zugleich die Grenze zwischen Hessen und Bayern. Der Vielbrunner Weiler Bremhof, dessen Name sich vom Bach „Branbach“ ableitet, ist auch ein alter Grenzverlauf des Odenwälder Bannforstes.

Als maßgebend in Vielbrunn sind die Grafen von Wertheim anzusehen, die dort und in Bremhof im Jahr 1159 und 1165 umfangreichen Besitz an ihr Hauskloster Bronnbach vergaben. Sie erscheinen wohl aus altem Recht später auch im Besitz des Patronats und hatten dort im Jahr 1432 insgesamt 10 Güter. Das Kloster Amorbach hatte im Jahr 1432 in Vielbrunn noch fünf Güter. Mitte des 18. Jh. sind noch Grundbesitze des Klosters in Vielbrunn nachgewiesen.

Dank der alten Schrift vom Kloster Amorbach kann Vielbrunn im Jahr 2012 seine 1000jährige Ersterwähnung feiern.

Deutung des Namens Vielbrunn

Bis zu den spätmittelalterlichen Schriften war die Schreibform Vullebrunni, Vilbrunn, Fulborn, Filbrünn, Fulbrun, Fülbrun, Volbronn, Vulbrunn, Fulbrunn, Filbrünn und Fulbronn. Erst im 18. Jh. näherte er sich mit Villbronn an die heutige Schreibweise. Die Deutung des Namens rührt wohl unzweifelhaft auf von der reichen Quelle des Mitteldorfbrunnens (Fünfröhrenbrunnen) her, ein „gefüllter Brunnen“, um diesen wohl die erste Ansiedlung geschah.

Vielbrunner Weiler, Dorfgliederung

Zu dem Michelstädter Stadtteil Vielbrunn gehören die Weiler: Bremhof, Brunntal, Hainhaus, Geyersmühle im Geyerstal und der hessische Teil von Ohrnbach.
Der sehr alte Weiler Bremhof, dessen Name sich von dem Bach Branbach ableitet, liegt unweit nordöstlich von Vielbrunn. Die Zisterzienserabtei Bronnbach machte den Weiler Brambuch (Bremhof) zu einem Klosterhof, einer “grangia”, der später aufgegeben wurde.
1755 erscheint als alleiniger Besitzer des Gutes auf dem Bremhof ein Sebastian Herbert. Nach ihm nannte man den Bremhof auch Baschtelshof (Sebastian = Baschtel). Heute befinden sich dort mehrere bewohnte Häuser und zwei Bauerhöfe.
Der Weiler Brunnthal, im 15. Jh. Brontal, Brontall, Brondal und Borntal genannt, zählt ebenfalls zu Vielbrunn. Er befindet sich in einem romantischen Tal gleichen Namens, das sich von der Vielbrunner Höhe direkt zum Main hinunter zieht und an der bayrischen Grenze bei Laudenbach endet. Zwei bewohnte Hofreiten sind dort gelegen und bewohnt.
Nördlich von Vielbrunn liegt mitten im Wald das Römerkastell Hainhaus. Der Kastellplatz war auch in nachrömischer Zeit bekannt und als Ruine immer sichtbar. Im 14. Jh. wurde das Kastell Hainhaus als Benzenburg bezeichnet. Später bürgerte sich der Name Heunen- und Hainhaus ein. Ende des 18. Jh. ließ Fürst Carl zu Löwenstein im Hainhaus eine Jagdhofreite mit einem Jagdschloß und mehreren Gebäuden errichten. Im Hainhaus stehen heute zwei von der Forstverwaltung bewohnte und ein leer stehendes Gebäude mit Scheunen.
Das Geyerstal beginnt unterhalb des Bremhofes. Am Oberlauf des Geyerstals entspringt der Hangenmüllersbrunnen, der in seinem Lauf durch das Geyerstal mehrere dort entspringende Brunnen aufnimmt. Direkt an der Quelle stand die Hangenmühle, früher Hangende Mühle genannt. Die Gemeinde Vielbrunn hat die Mühle käuflich erworben und wegen dem Bau eines Wasserwerkes, das im Jahr 1906 in Betrieb ging, abgetragen. Das im Jahr 1969 stillgelegte Wasserwerk gehört heute zu den Attraktionen des Deutschen Mühlentages.
An der Geyersmühle (1432 hieß es Geyersnest, heute eine Gaststätte) vorbei vereinigt sich der Geyersbach mit dem Vielbrunner Bach zum Ohrnbach. Nur der kleinste Teil des Dorfes Ohrnbach gehört zu Hessen, das größte Gebiet gehört zu Bayern. Im hessischen Teil der Vielbrunner Gemarkung stehen nur noch eine alte Scheune aus Sandstein und eine in den 1970er Jahren errichtete Hofreite.
Im höher gelegenen Walberntal, zwischen Vielbrunn und Sansenhof, liegt die Quelle des Walbernbaches der in seinem Verlauf mehrere Quellen aufnimmt, bis er in den Ohrnbach mündet.

Ehemalige Kornmühle im Geyerstal (Foto: N. Allmann)

Ehemalige Kornmühle im Geyerstal (Foto: N. Allmann)

Dreißigjähriger Krieg

Verheerende Folgen für Vielbrunn hatte der Dreißigjährige Krieg. Von etwa 220 Einwohnern blieben nur 13 übrig. Als einzige Gebäude überdauerten den Krieg nur das Pfarrhaus aus dem Jahr 1570 und die Kirche, die am Turm das Erbauungsdatum 1495 trägt. Nach dem Krieg begann der Wiederaufbau. Viele Familien ließen sich in Vielbrunn nieder.

Vielbrunn kommt zu Hessen

Im Jahr 1806 ging die Herrschaft Breuberg im neu gebildeten Großherzogtum Hessen Darmstadt über. Im gleichen Jahr wurde die Grafschaft Erbach-Schönberg und die Herrschaft Breuberg, zu denen Vielbrunn gehörte, ihrer landesherrlichen Rechte entkleidet.
Bis in das 20. Jh. hinein war Vielbrunn ein sehr armes Dorf, folglich sind viele Bewohner des Dorfes im 19. Jh. in andere Länder ausgewandert.

Fremdenverkehr

Mit Beginn der Jahrhundertwende 1900 erfolgte eine rege Bautätigkeit. Zur gleichen Zeit erschloß sich eine neue Einnahmequelle für die Vielbrunner Bevölkerung: Der Fremdenverkehr. Folglich baute Vielbrunn im Jahr 1930 ein Freibad in der Geyersmühle, das gegen Ende des zweiten Weltkrieges geschlossen wurde. Schon kurz nach dem Krieg wurde im Jahr 1952 ein neues Freibad im Dorf gebaut. Die beiden Weltkriege unterbrachen zeitweise die Entwicklung des Fremdenverkehrs. Doch an der Spitze hatte Vielbrunn als einer der Fremdenverkehrshochburgen im Kreis bis zu 70.000 übernachtungen. Mehr als 10.000 Feriengäste pro Jahr verbrachten ihren Urlaub in den 1970er Jahren in Vielbrunn.
Eine neue ära der Dorfgeschichte, mit einer gesellschaftlichen Umwandlung des seit Generationen gewachsenen Dorfgefüges begann, als ein Vielbrunner Bürger einen Betrieb zur Herstellung von Spielwaren aus Kunststoff Ende der 1950er Jahre aufbaute, in dem bis zu 500 Menschen eine Beschäftigung fanden. In den Folgejahren änderte sich Vielbrunn vom Waldarbeiter- und Bauerndorf in ein Industriearbeiterdorf.
Das hessische Innenministerium erteilte am 7. April 1970 die Genehmigung zur Führung eines Wappens für Vielbrunn. Das Wappen zeigt die sinnbildliche Darstellung eines römischen Limeswachturmes.
Am 31. Dezember 1971 wurde im Rahmen der Gebietsreform die ehemals eigenständige Gemeinde Vielbrunn in die Stadt Michelstadt eingemeindet.
Um dem Fremdenverkehrsbedarf gerecht zu werden, wurde in Vielbrunn im Jahr 1980 ein Feriendorf mit 100 Ferienhäusern errichtet. Der Fremdenverkehr ging jedoch in den Folgejahren in Vielbrunn und im gesamten Odenwaldkreis auf ein Minimum zurück.

Das Vielbrunner beheizte Freibad (Foto: N. Allmann)

Das Vielbrunner beheizte Freibad (Foto: N. Allmann)

Kirchen/Religion

Die erste urkundliche Nennung einer Kirche in Vielbrunn mit einer selbständigen Pfarrei stammt vom 5. Februar 1381. Das älteste Gebäude ist unzweifelhaft die noch vor der Reformation erbaute Kirche, sie wurde nach dem Heiligen Laurentius geweiht. Es handelt sich um die am besten erhaltene Wehrkirchenanlage des Odenwaldkreises. Der älteste Teil der evangelischen Kirche stammt aus spätgotischer Zeit. Aus dieser Zeit stammen die Wandmalereien in Fresco-Secco-Technik, die sich im Innenraum des Turmes befinden. Der Eckstein am Turm trägt außen die Jahreszahl 1495. Als maßgebend in Vielbrunn sind schon seit dem 12. Jh. die Grafen von Wertheim anzusehen, die nach altem Recht im Jahr 1474 bis in die jüngste Zeit noch im Besitz des Patronats waren.
Nach dem zweiten Weltkrieg kamen zahlreiche Heimatvertriebene nach Vielbrunn, davon waren etwa 80% katholischen Glaubens. Dies veränderte die konfessionelle Situation in Vielbrunn. Aus einem Schulsaal entstand eine kleine Kapelle für die Katholiken des Dorfes. Die katholische Pfarrkirche “Heilig Geist” entstand im Jahr 1974.

Die Kirchen in Vielbrunn, links kath. und rechts ev. Kirche (Foto: N. Allmann)

Die Kirchen in Vielbrunn, links kath. und rechts ev. Kirche (Foto: N. Allmann)

Texte: N. Allmann